Forscher haben einen Bluttest entwickelt, der mehr als 50 gängige und tödliche Krebsarten erkennen kann, oft bereits bevor Symptome auftreten.
Der Test könnte bei 12 Krebsarten besonders hilfreich sein, die am zuverlässigsten erkannt wurden. Dazu zählen Bauchspeicheldrüsenkrebs, der oft sehr spät diagnostiziert wird, sodass Genesung und Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gering sind.
Viele Forschergruppen weltweit beschäftigen sich mit der Entwicklung von Bluttests zur Erkennung von Krebs, die als Flüssigbiopsien (Liquid Biopsies) bezeichnet werden. Diese Tests nutzen die Tatsache, dass Tumore selbst im frühen Stadium genetische Informationen zeigen, die auf das Vorhandensein eines Tumors hinweisen.
Tumore geben DNA-Fragmente in den Blutkreislauf ab. Indem Krebsforscher diese zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) erkennen, können sie verschiedene Möglichkeiten zum Nachweis von Tumoren ableiten – idealerweise bevor Symptome auftreten.
Um ctDNA zu identifizieren, haben Forscher des Unternehmens US Oncology, das auf die Krebsbehandlung spezialisiert ist, einen Bluttest verwendet, der auf chemischen Veränderungen in der DNA basiert, was als Methylierung bezeichnet wird. Diese Änderungen sorgen normalerweise dafür, dass Gene an- und abgeschaltet werden. Abnorme Methylierungsmuster können zudem ein Anzeichen für Tumorwachstum sein.
Der Bluttest konzentriert sich auf eine Million der 30 Millionen Stellen in einem genetischen Code, an denen die Methylierung auftreten kann. Dr. Michael Seiden, Vorsitzender von US Oncology, sagt, dass dieser Ansatz ihnen geholfen hat, „die aussagekräftigsten Stellen [für die Erkennung von Krebs] zu identifzieren“.
Danach hat sein Team einen Machine Learning-Algorithmus verwendet, d. h. eine Art künstlicher Intelligenz (KI), um das Vorhandensein und die Art der Krebserkrankung basierend auf den Methylierungsmustern in der cfDNA, die von den Tumoren abgegeben wird, vorherzusagen. Mithilfe von KI wurden Blutproben von knapp 6.700 Teilnehmern der Studie „Circulating Cell-free Genome Atlas (CCGA) Study“ (Studie zum zirkulierenden, zellfreien Genom-Atlas) analysiert, von denen bei 2.500 der Krebs bislang nicht behandelt wurde und von denen 4.200 keine Krebserkrankung hatten. Mithilfe von KI wurden die Proben entweder als krebsartig oder nicht-krebsartig klassifiziert und die Quelle des Tumors wurde ermittelt.
Die Forscher haben die KI-Prognosen mit der wahrscheinlich größten genetischen Datenbank der Welt abgeglichen. Sie befindet sich im Besitz des Unternehmens GRAIL, das die Studie finanziert hat.
Die Forscher haben herausgefunden, dass der Bluttest eine Falsch-positiv-Rate von 0,7 % hat. Das bedeutet, dass weniger als 1 % der Teilnehmer fälschlicherweise die Diagnose Krebs erhalten. Als Vergleich: rund 10 % der Frauen in nationalen Programmen zur Früherkennung von Brustkrebs erhalten fälschlicherweise die Diagnose Krebs, obwohl diese Rate von der Anzahl, Häufigkeit und Screening-Art abhängt.
Der Test hat in 93 % der Proben korrekt vorhergesagt, wo der Krebs ursprünglich begann. Der Test hat 12 Krebsarten, die eine hohe Sterblichkeitsrate haben, präzise erkannt: Analkarzinome, Blasenkrebs, Darmkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs, Kopf-Hals-Karzinome, Leber- und Gallenkrebs, Lungenkrebs, Eierstock- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, Lymphknotenkrebs und Krebsarten, die die weißen Blutkörperchen befallen, wie das Multiple Myelom.
Der Test wird jetzt anhand einer größeren Zahl an Testpersonen untersucht und falls er erfolgreich ist, kann er laut Dr. Seiden in zukünftigen Screening-Programmen verwendet werden.
Er sagt weiterhin: „Diese Daten unterstützen die Vermutung, dass dieser zielgerichtete Methylierungstest die grundsätzlichen Anforderungen eines Bluttests zur Früherkennung verschiedener Krebsarten erfüllt, der für Reihenuntersuchungen in der Bevölkerung eingesetzt werden könnte: die Möglichkeit, mehrere tödliche Krebsarten mit nur einem Test zu erkennen, der eine sehr geringe Falsch-positiv-Rate aufweist, sowie die Möglichkeit, herauszufinden, wo genau sich der Krebs im Körper befindet, hilft Gesundheitsdienstleistern dabei, die nächsten Schritte für Diagnose und Behandlung auszuwählen.“
Professor Fabrice André, Forschungsleiter am Institut Gustave Roussy in Villejuif, Frankreich, sagt dazu: „Hierbei handelt es sich um eine bahnbrechende Studie und einen ersten Schritt hin zur Entwicklung einfach einsetzbarer Screening Tools. Obwohl die Fallzahlen noch gering sind, ist die Leistung dieser neuen Technologie insbesondere bei Bauchspeicheldrüsenkrebs interessant, da dieser oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird und daher die Sterblichkeitsrate sehr hoch ist.“
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Referenz: Annals of Oncology, Online-Veröffentlichung: 31. März 2020
www.annalsofoncology.org/article/S0923-7534(20)36058-0/pdf